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Du liest: Warum gibt es noch keine Cannabis-Tabletten auf Rezept?

Wer Medikamente nehmen muss, schluckt meist Tabletten. Sie sind vertraut, leicht dosierbar und in der Regel gut verträglich. Doch bei medizinischem Cannabis ist das anders. Blüten werden verdampft, Extrakte tropfenweise eingenommen und auch Kapseln kommen zum Einsatz – nur Tabletten sucht man bisher vergeblich. Warum eigentlich? Und könnte sich das bald ändern?


Das Wichtigste in Kürze:

Keine Cannabis-Tabletten verfügbar: Trotz vieler Vorteile gibt es in Deutschland bisher keine zugelassenen Cannabis-Tabletten.

Kapseln als Alternative: THC-Kapseln sind verfügbar und können eine diskrete, gut dosierbare Einnahmeform bieten.

Technische Hürden: Die geringe Bioverfügbarkeit erschwert die Entwicklung wirksamer Cannabis-Tabletten.

Cannabis auf Rezept – was bisher möglich ist

In Deutschland dürfen Ärztinnen und Ärzte seit 2017 medizinisches Cannabis verschreiben. Zum Einsatz kommen hauptsächlich zwei Formen: getrocknete Cannabisblüten und Extrakte. Blüten werden meist über einen Vaporizer inhaliert – was eine schnelle Wirkung ermöglicht, aber gesellschaftlich noch immer mit Vorurteilen behaftet ist. Wer Cannabis inhaliert, gerät schnell in Erklärungsnot, besonders am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Räumen. Alternativ gibt es Vollspektrumextrakte, die oral eingenommen werden – etwa als Tropfen unter der Zunge. Die Wirkung setzt verzögert ein, ist dafür aber länger anhaltend und gut steuerbar.

Seit einiger Zeit ergänzen auch Cannabis-Kapseln das Spektrum. Sie enthalten THC, oft gelöst in Trägeröl, damit der Körper es besser aufnehmen kann. Präzise dosiert und leicht einzunehmen, ermöglichen sie eine unauffällige Form der Cannabistherapie

Cannabis-Tabletten: Die Lücke in der Darreichung

Tabletten fehlen bislang als Darreichungsform. Dabei liegt der Nutzen auf der Hand: Cannabis-Tabletten könnten die Einnahme noch weiter standardisieren, einfacher gestalten und möglicherweise sogar Kosten senken. Sie wären leicht zu dosieren, hätten eine gleichmäßige Wirkstofffreisetzung – und sie könnten das gesellschaftliche Stigma rund um Cannabis-Therapien reduzieren. In der Öffentlichkeit eine Tablette zu nehmen, wirkt unauffälliger als einen Vaporizer zu benutzen oder Tropfen abzuzählen.

Auch medizinisch hätten Tabletten Vorteile: Sie könnten – ähnlich wie bestehende Kapseln – eine verlängerte Wirkung entfalten. Während die Effekte inhalierter Cannabinoide nach zwei bis drei Stunden abklingen, halten sie bei oraler Einnahme in der Regel vier bis acht Stunden an.

Cannabis-Arzneimittel – hier liegen die Probleme

Doch so einfach ist es nicht. Die orale Aufnahme von Cannabinoiden ist pharmazeutisch anspruchsvoll. Wirkstoffe wie THC und CBD sind fettlöslich und werden im Magen-Darm-Trakt nur begrenzt aufgenommen. Das bedeutet: Ohne spezielle Technologien bleibt die sogenannte Bioverfügbarkeit – also die Menge, die tatsächlich im Blut ankommt – relativ niedrig.

Hier setzen neue pharmazeutische Entwicklungen an. Eine 2020 veröffentlichte Tierstudie untersuchte sogenannte gastroretentive Cannabis-Tabletten. Sie verbleiben über längere Zeit im Magen und setzen den Wirkstoff langsam frei. Im Tierversuch zeigte sich: Die Bioverfügbarkeit von CBD war deutlich höher als bei herkömmlicher CBD-Lösung. Das könnte ein Hinweis darauf sein, wie sich die Cannabis-Tablette der Zukunft technisch umsetzen lässt.[^1]

Wer forscht daran?

Vorreiter auf diesem Gebiet ist die niederländische Firma Echo Pharmaceuticals, die bereits zwei Cannabis-Tabletten entwickelt hat: Namisol®, eine THC-Tablette, und Arvisol®, ein CBD-Präparat. Beide befinden sich noch in der klinischen Erprobung. Eine Zulassung – und damit die Markteinführung – ist derzeit nicht absehbar.

Nicht für alle Patienten geeignet

So vielversprechend Cannabis-Tabletten auch sein mögen – sie wären nicht für alle geeignet. Patient*innen mit Schluckbeschwerden etwa wären auf alternative Darreichungsformen angewiesen. Auch die Möglichkeit, die Therapie individuell anzupassen – etwa durch unterschiedliche Cannabissorten mit variierenden Wirkstoffprofilen – würde bei einer standardisierten Tablette verloren gehen.

Der Vorteil der Cannabisblüte liegt für manche gerade in ihrer Flexibilität: Sie lässt sich je nach Bedarf dosieren und inhalieren, manchmal innerhalb weniger Minuten mit spürbarer Wirkung. Eine Pille kann das bisher nicht leisten.

Tabletten gegen Cannabis-Sucht

Interessant ist auch: Während Cannabis als Arzneimittel zunehmend Eingang in die medizinische Versorgung findet, fehlt es bislang an wirksamen Mitteln gegen die Kehrseite der Hanfpflanze – den Gebrauch von Cannabis als Droge. Noch gibt es keine Tabletten oder andere zugelassene Medikamente, die beim Absetzen von Cannabis helfen könnten.

Doch erste Studien machen Hoffnung: Der Wirkstoff AEF0117, derzeit in klinischer Erprobung, schwächt gezielt die berauschende Wirkung von THC, ohne zentrale Gehirnfunktionen zu stören oder Entzugserscheinungen auszulösen. Ob die Tablette den Übergang von der Forschung in die Versorgung schafft, bleibt abzuwarten. Doch sie ist der bislang aussichtsreichste Versuch, der Sucht eine pharmazeutische Antwort entgegenzusetzen.[^2]

Ausblick: Was heißt das für Patient:innen?

Aktuell bleiben Kapseln die einzige "tablettenähnliche" Form der Cannabis-Therapie. Ärzt:innen können sie als Fertigarzneimittel verschreiben. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten, falls ein entsprechender Antrag genehmigt wird. Ein Recht auf Kostenerstattung besteht zwar seit 2017 (§ 31 SGB V), doch in der Praxis kommt es immer wieder zu Ablehnungen, gegen die Betroffene Widerspruch einlegen können.

Wer Cannabis-Patient werden möchte und für wen Cannabis auf Privatrezept ebenfalls eine Möglichkeit ist, kann eine Cannabis-Therapie online über Mellow beantragen.

Ob Cannabis-Tabletten in absehbarer Zeit auf den deutschen Markt kommen, ist offen. Die Forschung läuft, das Interesse ist groß – bei pharmazeutischen Unternehmen ebenso wie bei Patientinnen. Wenn es gelingt, die Herausforderungen bei Wirkstoffaufnahme und Standardisierung zu lösen, könnte die Tablette eines Tages eine ernsthafte Alternative zu Blüten, Tropfen und Kapseln werden. Bis dahin bleibt sie ein Versprechen auf eine noch diskretere, planbarere Cannabistherapie.


FAQ

Bei welchen Erkrankungen wird Cannabis eingesetzt?

Medizinisches Cannabis wird vor allem bei chronischen Schmerzen, Tinnitus, Spastiken, Krebs und Übelkeit infolge von Chemotherapie, Appetitlosigkeit, Tourette-Syndrom, Migräne, Regelschmerzen sowie bei bestimmten psychischen Erkrankungen wie ADHS, Depressionen, Angststörungen oder Schlafproblemen eingesetzt – meist dann, wenn herkömmliche Therapien nicht ausreichen.

Welche Fertig-Medikamente gibt es im Cannabis-Bereich?

Zu den zugelassenen Fertigarzneimitteln im Cannabis-Bereich zählen in Deutschland unter anderem Sativex®, ein Mundspray mit THC und CBD bei Spastiken, sowie Canemes®, Kapseln mit dem Wirkstoff Nabilon zur Behandlung von Übelkeit bei Chemotherapie. Auch Dronabinol wird häufig eingesetzt, meist als individuell hergestelltes Rezepturarzneimittel.

In welchen Medikamenten ist THC?

THC ist in mehreren medizinischen Cannabispräparaten enthalten. Dazu gehören Sativex® (ein Mundspray mit THC und CBD), Canemes® (Kapseln mit dem synthetischen THC-Analog Nabilon) sowie Dronabinol, das den Wirkstoff THC in reiner Form enthält und in Apotheken als Rezeptur zubereitet wird.

Wie wirken THC-Kapseln?

THC-Kapseln wirken, indem sie den Wirkstoff über den Magen-Darm-Trakt aufnehmen. Die Wirkung setzt langsamer ein als beim Inhalieren – meist nach 30 bis 60 Minuten[^3] – hält dafür aber länger an, oft zwischen vier und acht Stunden. Sie wirken schmerzlindernd, entspannend und können Übelkeit sowie Appetitlosigkeit lindern. Die Wirkung ist gut steuerbar und eignet sich besonders für eine gleichmäßige, planbare Behandlung.

THC-haltige Extrakte sind in Deutschland legal, jedoch ausschließlich für medizinische Zwecke. Ärztinnen und Ärzte dürfen Cannabisextrakte verschreiben. Die Abgabe erfolgt über Apotheken, die die Extrakte gemäß den gesetzlichen Vorgaben herstellen und abgeben. Für den Freizeitgebrauch sind THC-Extrakte hingegen nicht erlaubt.​

[^1]: Pharmacodynamic dose effects of oral cannabis ingestion in healthy adults who infrequently use cannabis (Schlienz, Nicolas J. et al., 2020)

[^2]: Signaling-specific inhibition of the CB1 receptor for cannabis use disorder: phase 1 and phase 2a randomized trials (Haney, Margaret et al., 2023)

[^3]: Investigation of Cannabidiol Gastro Retentive Tablets Based on Regional Absorption of Cannabinoids in Rats (Izgelov, Freidman et al., 2020)

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